Vom König der Blumen
Allein schon die Zahlen sind beeindruckend: Aus 1 Tonne, das sind 8 Millionen von Hand gepflückter Blüten, gewinnt man maximal 1,5 kg Jasmin Absolue. Rund 15.000 Euro muss man für 1.000 Gramm Jasmin aus Grasse, der zur kostbaren Varietät des Jasminum Officinalis Grandiflorum (auch „Jasmin Royale” genannt) zählt, hinblättern. Weltweit werden, so der russische Chemiker, Parfumeur und Duftforscher Matvey Yudov, davon jährlich nur 5 bis 6 Tonnen produziert. Dabei sind allein zwischen 1900 und 1950 sage und schreibe 80 % aller Düfte mit dieser luxuriösen Ingredienz formuliert worden.
Und der ebenso prominente Arabische Jasmin, Jasminum Sambac, der eigentlich aus Südasien kommt? Besitzt eine etwas andere Duftstruktur, die jener von Orangenblüte und Tuberose verwandt ist. Die extrem hohen Kosten und die starke Nachfrage haben Chemiker schon vor über hundert Jahren die Komponenten des Jasmindufts erforschen lassen, allen voran die Deutschen Albert Hesse und Friedrich Müller. 1899 publizierten sie ihre Arbeit „Ueber ätherisches Jasminblüthenöl”, konnten jedoch nicht alle Bestandteile eroieren. The next step? Kam 1957 von Edouard Demole (Firmenich). Aus Jasmin Concrète, der Basis für das Absolue, extrahierte er eine Substanz, die er Methyl Jasmonat taufte. Als Hedione wurde sie weltberühmt. Warum fühlen sich Männer und Frauen nun so unwiderstehlich von Jasmin angezogen? Der Aromatherapeut Prof. Dr. Dietrich Wabner dazu: „Jasmin regt die Hypophyse zur Bildung von Endorphinen an. Der Effekt: Erhöhung von Wohlbefinden und Libido, mithin ein Kick in Richtung Verführung.” Schon komisch also, dass manche den König der Blumen „pflanzliches Valium” nennen…
Artsy Jasmin-Synthesen
Jeder der großen Aromen-Hersteller bietet heute Jasmin-Synthesen an, deren feinste Unterschiede die Fantasie der Parfumeure beflügeln. Ob Jasmelia (IFF), Jasmonyl (Givaudan), Splendione (Firmenich) oder Jasmoneige (Zeon), jedes dieser kunstvollen Moleküle bedeutet allerdings in der Duftkreation sehr viel mehr als ein günstigerer Ersatz für das rare Jasmin Absolue zu sein. Um mit dem US-Duftkritiker Chandler Burr zu sprechen: Kunst entsteht durch die Überwindung der Natur.
Zu den Düften (alphabetisch)
V.l.n.r.. Dem Kult um den Jasmin frönen so facettenreich wie auf jeweils einzigartige Art und Weise: AMOUAGE Library Collection Opus VIII (Christopher Chong); ATKINSONS LONDON Jasmine in Tangerine (James Atkinsons Heirs); BY KILIAN Asian Tales Imperial Tea (Calice Becker); CALVIN KLEIN ck one (Alberto Morillas); CHANEL N° 5 (Ernest Beaux); CHLOÉ See by Chloé (Michel Almairac); CLIVE CHRISTIAN Jasmine Absolute (Mutter Natur); DIOR J'adore l'or (François Demachy); HERETIC PARFUMS Dirty Jasmine (Douglas Little); AIGNER PARFUMS Cara Mia Ti Bacio (Botschafterin Iris Apfel ist es nicht); EXCENTRIC MOLECULE 01 (Geza Schoen).